Gegen die Einsamkeit im Alter

Ein Interview mit PD Dr. med. Albert Wettstein

Strategien gegen die Einsamkeit im Alter werden derzeit breit diskutiert und von mehreren Organisationen in Studien und Interventionen zum Thema gemacht. Ein Interview mit PD Dr. med. Albert Wettstein, Stiftungsrat der Elly Schnorf Schmid Stiftung.

Autor

Hans Rudolf Schelling

01.03.2024

Gegen die Einsamkeit im Alter

Strategien gegen die Einsamkeit im Alter werden derzeit breit diskutiert und von mehreren Organisationen in Studien und Interventionen zum Thema gemacht. Annette Paltzer und Hans Rudolf Schelling konnten dazu im Januar 2024 ein Interview mit PD Dr. med. Albert Wettstein führen, der sich als Stiftungsrat der Elly Schnorf Schmid Stiftung, als Leitungsmitglied des Zentrums für Gerontologie der Universität Zürich und als Vorsitzender der Fachkommission Zürich der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter (UBA) intensiv mit Möglichkeiten der Bekämpfung von Einsamkeit im Alter befasst. Im Folgenden sind die Kernaussagen zur Einsamkeit im Alter – mit oder ohne eine vorbestehende Behinderung – zusammengefasst.

Einsamkeit im Alter ist ein Risikofaktor für die Gesundheit

Einsamkeit ist einer der stärksten Risikofaktoren für die physische und psychische Gesundheit; sie kann im Alter zu früher Pflegebedürftigkeit und zu einem frühen Tod führen. Umgekehrt begünstigen eine eingeschränkte Mobilität oder eine Pflegebedürftigkeit die soziale Isolation und damit häufig auch die Entstehung von Einsamkeit.

 

Eine Behinderung begünstigt die Einsamkeit

Einschränkungen im Bereich der Mobilität, der Sinnesorgane oder der Kognition erschweren soziale Kontakte und die Partizipation, was zu sozialer Isolation und zu Einsamkeit führen kann. Auch Massnahmen gegen die Einsamkeit sind für Menschen mit einer Behinderung nochmals schwerer zugänglich. Mit einer Behinderung ist der Übergang ins AHV-Alter auch in finanzieller Hinsicht eine besondere Herausforderung.

 

Massnahmen gegen die Einsamkeit 

Eine erfolgversprechende Intervention ist zum Beispiel der «Sozialkontakt per Präskription», das heisst die ärztliche Verordnung von Massnahmen, die den Sozialkontakt fördern. Erfolgreich sind insbesondere Massnahmen, die von Gleichaltrigen und von Menschen getragen werden, die ähnliche Merkmale wie die Zielpersonen aufweisen. Gut eingespielt haben sich zum Beispiel Witwentreffen der reformierten Kirche Zürich-Höngg, wo auch Besuche zu Hause oder gemeinsame Ausflüge gemacht werden. «Peer-Netzwerke» sind für Menschen mit Behinderung besonders wichtig. Hier können vor allem schon bestehende, behinderungsspezifische Netzwerke eine wichtige Rolle spielen.

 

Lokale Angebote und Netzwerke sind wichtig

Nötig sind lokale und regionale Angebote und Netzwerke; das gilt für den professionellen wie für den freiwilligen, zivilgesellschaftlichen Bereich. Trägerschaften können etwa Vereine und andere privat-gemeinnützige Organisationen, aber auch Gemeinden oder Konkordate von Gemeinden sein. Deren Angebote sollen sich nach den Interessen der Betroffenen richten.

 

Unterstützung und Betreuung im Wohnumfeld

Wohneinrichtungen für alte und behinderte Menschen können den Charakter einer «Einzelkäfighaltung» entwickeln. Bewohner*innen ziehen sich häufig in ihr Zimmer oder ihre Wohnung zurück. Eine wohnliche Gestaltung von Treffpunkten wie z.B. die Umgebung von Briefkästen und Waschküchen sorgt dafür, so dass man sich gern dort aufhält und so in Kontakt kommt. Ausserdem soll die Mitwirkung und Mitgestaltung von Angeboten gefördert werden. Assistenzdienste als Alternative zu stationären Wohn- und Pflegeeinrichtungen unterstützen die Autonomie der Betroffenen. Sie können aber die Vereinsamung verschärfen, wenn dadurch Kontakte zu Mitbewohnenden wegfallen. Hier sind neue Kontakt- und Partizipationsangebote nötig.

 

Massnahmen gegen die Einsamkeit kosten Geld

Soziale Teilhabe ist häufig auch eine Frage der materiellen Ressourcen. Reiche können sich soziale und kulturelle Teilhabe sowie Betreuung leisten, für Menschen ohne eigene Mittel gibt es zum Teil schon Angebote, die öffentlich finanziert sind. Für den unteren Mittelstand aber wird es häufig eng.

Neben der Finanzierung durch die Individuen selbst oder durch die öffentliche Hand können Projekte und Interventionen auch durch Stiftungen getragen werden. Beispielsweise leistet die Elly Schnorf-Schmid Stiftung (ESSS) Beiträge an steuerbefreite gemeinnützige oder von der Öffentlichkeit unterstützte Institutionen für Projekte, die es älteren Personen (mit oder ohne vorbestehende Behinderung) ermöglichen, im vertrauten Wohnumfeld zu bleiben.

 

Das vollständige Interview finden Sie unter "Wissenswertes".