Inklusion und Politik – eine schwierige Beziehung

Inklusion von Menschen mit Behinderung ist in aller Leute Munde. Was diese für Menschen mit Behinderung im Alter bedeutet und wie die Politik mit diesem Thema umgeht, wird im folgenden Blog-Beitrag beleuchtet.

Autor

Annette Paltzer

Präsidentin

09.06.2025

Inklusion und Politik – eine schwierige Beziehung

Age Plus unterhielt sich Anfang Dezember 2024 mit Giulia Brogini vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) über die politischen Prozesse, die für die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen, insbesondere im Alter, von Bedeutung sind. Wir sprachen insbesondere auch über Inklusion und den Wert der Inklusions-Initiative, die am 5. September 2024 in Bern eingereicht wurde.

Die Initiative fordert unter anderem, dass Menschen mit Behinderung – unabhängig vom Alter – das Recht haben, frei über ihre Wohnform und ihren Wohnort zu entscheiden. Das kann gerade für ältere Menschen bedeuten, länger in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben und nicht in institutionelle Betreuungseinrichtungen gedrängt zu werden.

Für ältere Menschen mit Behinderung könnten diese Entwicklungen bedeuten, dass in Zukunft vermehrt Maßnahmen in den Bereichen Wohnen und Unterstützung greifen, die ihre Selbstbestimmung und Lebensqualität fördern.

Insbesondere sprachen wir auch über die kritischen Punkte, die zu einem Gegenvorschlag des Bundesrates führten, der am 23. Dezember 2024 von Bundesrätin Baume-Schneider verkündet wurde.

 

Ausbau von Assistenz- und Unterstützungsleistungen

Der Bundesrat stellt der Initiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Dieser besteht aus zwei Teilen: einem Inklusionsrahmengesetz mit Fokus auf den Bereich Wohnen, und einer IV-Teilrevision mit Anpassungen in den Bereichen Hilfsmittel (zum Beispiel technisch fortschrittliche Prothesen oder Hörgeräte) und Assistenzbeitrag. Solche Maßnahmen könnten älteren Menschen mit Behinderung helfen, ihre Selbstständigkeit zu erhalten und den Alltag leichter zu bewältigen.

 

Indirekte Umsetzung statt direkter Eingriffe

Der Bund hat im Rahmen des indirekten Gegenvorschlags allerdings nur beschränkte Kompetenzen, um Massnahmen zur Gleichstellung schweizweit vorzuschreiben. Die Hauptverantwortung für die konkrete Umsetzung, beispielsweise der Förderung des selbstbestimmten Wohnens oder der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, liegt bei den Kantonen. Das bedeutet, dass die Verbesserung nicht unmittelbar und umfassend ausfallen könnte, sondern dass es auch auf die Umsetzung in den einzelnen Kantonen darauf ankommt. Zudem  besteht die Gefahr, dass wichtige Lebensbereiche älterer Menschen (z. B. im Gesundheitswesen oder bei der sozialen Teilhabe) weniger stark berücksichtigt werden, wenn der Fokus vor allem auf Wohn- und IV-Angelegenheiten liegt.

AHV und IV sind unterschiedlich gut für Menschen mit Behinderungen finanziert. Es besteht zwar Besitzstandwahrung, aber im Falle von neuen Bedürfnissen werden sie nach AHV Kriterien finanziert. Dieser Sachverhalt müsste dringend verändert werden.

 

Langfristige Perspektiven und politische Prozesse

Da zuerst der Bundesrat und dann auch das Parlament über den Gegenvorschlag entscheiden muss und evtl. auch eine Volksabstimmung bevorsteht, bleibt abzuwarten, inwiefern die speziellen Bedürfnisse älterer Menschen mit Behinderung in den finalen Gesetzesänderungen vollständig Berücksichtigung finden. Es ist daher wichtig, dass die Interessen dieser Gruppe im weiteren politischen Prozess aktiv vertreten werden.

Insgesamt könnten die geplanten Maßnahmen älteren Menschen mit Behinderung dabei helfen, ein selbstbestimmteres und barrierefreieres Leben zu führen – vorausgesetzt, dass die politischen Entscheidungsträger alle relevanten Bedürfnisse im Blick behalten.

Age Plus wird diese Entwicklungen im Auge behalten.