Palliative Care bei erwachsenen Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen

Angela Grossmann befasst sich seit über 10 Jahren intensiv mit den Themen "Alter und Behinderung" und der palliativen Begleitung von Menschen mit Behinderung.

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Palliative Care bei erwachsenen Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen

Angela Grossmann

Im Rahmen ihrer langjährigen Führungstätigkeit, der Ausbildung in spezialisierter Palliative Care und ihres Masterstudiums hat sich Angela Grossmann schon vor über 10 Jahren mit den Themen "Alter und Behinderung" und der palliativen Begleitung von Menschen mit Behinderung intensiv auseinandergesetzt. Der Titel ihrer Masterarbeit (2017) lautet: "Palliative Care bei erwachsenen Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen in Wohnheimen der Behindertenhilfe - Neue Herausforderungen für das Management".

Immer noch aktuell:

Angela Grossmann ging in ihrer Arbeit von der zunehmenden Lebenserwartung von Menschen mit kognitiven/mehrfachen Behinderungen und dem damit steigenden Bedarf an Palliativ-Versorgung aus. Die nationale Strategie Palliative Care der Schweiz fordert, dass entsprechende Angebote für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich sind. Das entspricht auch den Anforderungen, die sich aus der UNO BRK ableiten lassen. Erwachsene Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die in Wohnheimen der Behindertenhilfe wohnen, leben oft schon seit ihrer Geburt mit einem entsprechenden Unterstützungsbedarf. Auch für sie gilt:  In Würde bis zuletzt!

Die hohe Relevanz des Themas hat an Bedeutung nicht verloren.

Einige Aspekte seien hier genannt:

Das Management ist in der Verantwortung: Es braucht eine klare Willensbekundung und Haltung, um Palliative Care umzusetzen. Konzepte alleine reichen nicht aus.

Die Heterogenität der Zielgruppe: Menschen mit kognitiven und/oder mehrfachen Behinderungen stellen eine sehr heterogene Gruppe dar, was individuelle und kontextbezogenen Herangehensweisen erforderlich macht. Auch für die Angehörigen und Zugehörigen.

Die (Fach)Kompetenz des Personals: in den Wohnheimen der Behindertenhilfe arbeitet mehrheitlich agogisch ausgerichtetes Personal, welches über andere (Fach)Kompetenzen verfügt und sich mit den Aufgaben einer palliativen Begleitung oft überfordert fühlt. Es herrschen  unterschiedliche Vorstellungen, was Palliative Care überhaupt ist.  Es braucht Strategien, wie Mitarbeitende begleitet, geschult, unterstützt und entwickelt werden können.

Palliative Care ist Lebensbegleitung – in Würde bis zuletzt

Angela Grossmann

Seit vielen Jahren begleite ich BewohnerInnen, Angehörige, Mitarbeitende, berate Führungskräfte, mache konzeptionelle Arbeit, gebe Schulungen, bin an Tagungen oder Impulsveranstaltungen. 

Gemeinsam mit AgePlus ist es mir ein grosses Anliegen, für dieses hochaktuelle Thema weiter zu sensibilisieren und einzustehen. Gerade im Wohnheimkontext sind Beziehungen oft über Jahre und Jahrezehnte gewachsen und entstanden. Wenn BewohnerInnen in der letzten Lebensphase Unterstützung benötigen, sind alle aus dem Umfeld mit ihren Gefühlen von Abschied und Loslassen konfrontiert.

Ältere Menschen, die seit Kindheit oder Jugend in verschiedenen Heimen gelebt haben, bringen in  ihrer Biographie oft traumatische Ergeignisse mit. Das gilt nicht pauschal, darf schöne Erlebnisse und die damaligen Bemühungen weder abwerten noch negieren. Es ist wichtig, die Geschehnisse und Umstände aus dem Zeitkontext heraus zu betrachten. Wir wissen jedoch aus Biographien, diversen Akten sowie der Geschichte und Aufarbeitung vieler Heimhistorien, dass neben Fürsorge auch strukturelle, psychiche und physische Gewalt erlebt wurde. Daher ist mir die traumasensible Betreuung und Begleitung besonders wichtig und während der letzten Jahre auch immer wichtiger geworden. Pallium (lat. für Mantel, Palliative Care leitet sich aus diesem Wort ab) - der Mantel - soll auch für einen besonderen Schutz stehen.

In den von mir speziell konzipierten Weiterbildungen und Impulsveranstaltungen geht es um:

  • Palliative Care als Lebensbegleitung – Dimensionen von Palliative Care - Bedeutung von Palliative Care 
  •  Lindernde palliative Interventionen/erfassen von Symptomen - beispielsweise die Erfassung und Behandlung/Linderung von Schmerzen bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen.
  • Die Gestaltung von Ritualen und die spirituelle Dimension geht über ein "einfaches lernen" hinaus – es geht um Wahrnehmung, Erfahrung – sich öffnen und offen sein für einen Prozess und dem was sich zeigt. Angst, Verlust, Krise - aber auch Freude und Räume für das Schöne gemeinsam öffnen.
  • Trauerbegleitung und die Gestaltung von Abschiedsritualen sind aus meiner Sicht  wichtige Geschehnisse. "Den eigenen Tod den stirbt man nur. Doch mit dem Tod der anderen muss man leben..." (Mascha Kaléko). Unser Leben geht weiter und das Leben auf einer Wohngruppe ebenfalls. Wie können wir gemeinsam die Phase für das danach gestalten? 
  • Die Begleitung von Angehörigen und Zugehörigen
  • Spiritual Care
  • Unterstützte Kommunikation, Biographiearbeit, Lebenslaufperspektive
  • Lebensendentscheidungen, Selbstbestimmung am Lebensende, mustmasslicher Wille, Advanced Care Planning, ethische Fallbesprechungen …
  • Eine Sensibilisierung für das schwierige Thema der "Futility" 
  • Gestaltung von Übergängen – Netzwerkarbeit
  • Dimensionen des Alterns bei Menschen mit lebenslangen Behinderungen – Gesundheit und Krankheit
  •  Diversität  - in Bezug auf alle Beteiligten
  • Die Unterstützung von Mitarbeitenden, Ermutigung,  Empowerment und Resilienz
  • Kritische Reflexionen zu Gesundheit, Krankheit, Gesellschaft & Politik. Grundlagen der Nationalen Strategie Palliative Care (BAG) & Kt. Zürich, UNO BRK
  • Denkräume aller Art
  • ........

PALLIATIVE CARE IST LEBENSBEGLEITUNG – IN WÜRDE BIS ZULETZT

Ansprechperson

Angela
Grossmann